Wer geht im Urlaub in Buchhandlungen in Málaga?

Die Buchhandlung Mapas y Compania ist mit vielen Globen und von der Decke hängenden Heißluftballons dekoriert

Ich gehe gern in Buchhandlungen. Auch im Urlaub in Málaga. Spätestens seitdem ich während meiner Workation in Montpellier vor zwei Jahren nach fremdsprachiger Literatur geforscht hatte, hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Was wird in anderen Ländern gelesen? Welche Genres sind dort beliebt? In welchen Sprachen werden Bücher angeboten? Welche deutschen Autor*innen werden übersetzt? Hier kommen die Impressionen, die ich in einer Woche Málaga gesammelt habe.

Was für Buchhandlungen gibt es in Málaga?

Wenig überraschend für eine Stadt mit fast 600.000 Einwohnern hat Málaga recht viele Buchhandlungen. Kleine und große, spezialisierte und breit aufgestellte. Die schönste davon war die Librería Mapas y Compañía1Calle Compañía, 33. Die kleine Buchhandlung hat sich auf Geografie, Reisen, Flora und Fauna spezialisiert, was man an der liebevollen Dekorierung gut sieht. Der Besuch lohnt sich allein wegen der Atmosphäre, selbst wenn man wie ich nur vier Wörter Spanisch beherrscht2holla, gracias, buenos días und bei den Büchern eher anhand der Cover erahnt, worum es geht. Dabei ist Mapas y Compañía keine Sachbuchhandlung. Auch Abenteuerliteratur wie die Reihe um Tintin – im Deutschen als Tim und Struppi bekannt – und Fantasy wie die Erdsee-Reihe von Ursula K. LeGuin ist vertreten. Insgesamt scheint Tintin in Spanien beliebt zu sein. Die Comics und Figuren habe ich häufiger gesehen.
Schaufenster und Eingang der Buchhandlung Mapas y Compañía in Málaga Die Buchhandlung Mapas y Compania ist mit vielen Globen und von der Decke hängenden Heißluftballons dekoriert
Bei der Librería Casa del Libro3Nueva, 5 dagegen handelt es sich um eine Kette. Entsprechend breit gefächert ist das Sortiment auf mehreren Etagen. Die Genres entsprechen dem, was ich auch aus Deutschland kenne. Begeistert hat mich die große Auswahl an Fantasy und Science-Fiction, insbesondere die vielen Bücher von Brandon Sanderson. Hier bin ich auch Angela Merkel begegnet.
Schaufenster und Eingang der Buchhandlung Casa del Libro in Málaga. Cover der spanischen Übersetzung von Angela Merkels Buch "Freiheit" in der Buchhandlung Casa del Libro.
Die Librerías Proteo y Prometeo4Calle Puerta Buenaventura, 3 ist relativ schlicht eingerichtet, geht über mehrere Stockwerke und hat eine breite Auswahl. Was mich überrascht hat, war die Abteilung LGTBQ+ im Erdgeschoss. Denn ich hatte Spanien als konservativ katholisches Land in Erinnerung. Dass ich in den ersten Tagen in der Innenstadt zwei Geschäfte gesehen hatte, die Heiligenfiguren verkaufen, hat diesen Eindruck erst mal nicht entkräftet. Desto mehr habe ich mich über die beiden Regale mit LGTBQ+-Büchern gefreut.
Schaufenster und Eingang der Buchhandlung Proteo Prometeo in Málaga Zwei Regale mit LGTBQ+-Literatur in der Buchhandlung Proteo y Prometeo
Buchantiquariate werden in Spanien offensichtlich auch Librerías genannt. Das fand ich heraus, als ich die Librería Re-Read5Calle Victoria, 27 betrat. Direkt am Eingang stehen rechts Regale mit französischen und deutschen Büchern6wobei sich zwischen den deutschen auch niederländische versteckten und links mit englischen. Solltet ihr also euren Urlaub in Málaga verbringen und günstigen Nachschub an Reiselektüre brauchen, ist Re-Read eure Adresse. Ihr dürft nur nicht die neuesten Bücher erwarten. In deutschen Antiquariaten bin ich es außerdem gewohnt, ständig über Bücherstapel zu stolpern. Bei Re-Read dagegen war alles ordentlich verräumt.
Schaufenster und Eingang der Second-Hand-Buchhandlung Re-Read in Málaga Die Regale mit französischen und deutschen Büchern in der Second-Hand-Buchhandlung Re-Read in Málaga

Allgemeine Eindrücke in der Kürze der Zeit

Ganz so viel Zeit zum Stöbern hatte ich nicht. Ich hatte nämlich einen Ehemann dabei, der in seinem Urlaub lieber etwas anderes machen wollte, als von einer Buchhandlung in die nächste geschleppt zu werden und mir dort zuzusehen, wie ich Regale fotografiere und mir Notizen zu Genres, Autor*innen und Werken mache. Was konnte ich in der kurzen Zeit also herausfinden?

Ein eigenes Regal für fremdsprachige Literatur scheint in Buchhandlungen in Málaga7oder in Spanien? nicht unbedingt typisch zu sein. Sowohl bei Proteo y Prometeo als auch bei Mapas y Compañía standen die fremdsprachigen Werke zwischen den spanischen. Entdeckt habe ich Englisch, Französisch und Deutsch. Die ersten beiden Sprachen hatte ich erwartet, Deutsch, auch wenn es weniger oft vorkam, Cover von "Malalga yel Mar" (Malaga und das Meer): Ein antikes Segelboot hält auf Land zu.allerdings nicht.

Ansonsten sind mir viele Autor*innen begegnet, die ich aus deutschen Buchhandlungen kenne: Dan Brown, Jane Austen, Ernest Hemmingway, J. R. R. Tolkien, Hannah Grace, Nora Roberts, Stefan Zweig, Stephen King, Agatha Christie, Haruki Murakami, Harper Lee … Von den beiden spanischen Schriftstellerinnen, die mir mehrmals auffielen, war mir Julia Navarro ein Begriff, Rosa Montero noch nicht.

Eine Ecke für regionale Literatur, insbesondere über Málaga, gab es in jeder Buchhandlung. Und ein Buch, „Málaga yel Mar“, war überall gut sichtbar ausgelegt. Das Dritte Reich und der Spanische Krieg waren zwei weitere Themen, die meist prominent platziert waren. Dazu passt, dass Hemingways Roman „Wem die Stunde schlägt“ über den Spanischen Bürgerkrieg angeboten wird.

Mein Eindruck ist, dass das Sortiment sich nicht so sehr von unserem unterscheidet. Statt deutscher Autor*innen finden sich logischerweise spanische. Aber die Genres und ihre Beliebtheit sind ähnlich. Eine spanische Buchhandelskette ist nicht groß anders als eine deutsche – funktional und mit massenkompatiblem Sortiment. Und die inhabergeführten können wie bei uns sehr gemütlich sein und zu stundenlangem Stöbern einladen, so wie Mapas y Compania.

Und ich tue das, weil …

Meinen Urlaub könnte ich natürlich anders verbringen als in Buchhandlungen. Mein Mann wäre mir sicher dankbar. Warum mache ich das also – außer um einen Blogbeitrag daraus zu erstellen? Weil ich den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus unheimlich spannend finde. Ob es sich um chinesische Fantasy oder Afrofuturismus handelt, Sachbücher über Japan oder das Angebot in spanischen Antiquariaten, ich möchte wissen, wofür man sich woanders interessiert und welche kulturellen Unterschiede es gibt.8Ich hätte auch gern die Nachrichten in Spanien verfolgt. Leider scheitert das an meinen Sprachkenntnissen. Dafür hilft es z. B., sich anzuschauen, was in Buchhandlungen im Ausland angeboten wird.

Worauf achtet ihr besonders im Urlaub? Was in den Schaufenstern der Buchhandlungen liegt? Wo man die besten Restaurants findet? Welche Kirchen man besichtigt haben muss?

Passende Begleitsätze zur wörtlichen Rede benutzen

Eine schwarz-weiße Katze liegt auf einer Mauer und blickt den Betrachter an.

Passende Begleitätze zur wörtlichen Rede können eine große Wirkung erzielen. Entscheidend dafür ist, dass sie originell und aussagekräftig sind und nicht zu sehr von der wörtlichen Rede ablenken. Besser noch: Wenn sie mit der Rede verbunden sind, sodass beides zu einem organischen Ganzen wird.

Ihr habt die ersten Teile der Reihe noch nicht gelesen? Ihr findet sie hier:

Schlichte Begleitsätze

Aber muss es unbedingt kreativ sein? Nein, man kann auch einfach schlichte Begleitsätze benutzen. Mit ihnen macht man selten etwas falsch. Sie helfen dabei zu erkennen, wer gerade redet, halten sich aber sonst im Hintergrund. Wenn es einem schwerfällt, spannende Begleitsätze zu entwickeln, oder man einen knappen Stil bevorzugt, ist es die bessere Wahl, bei sagte er, fragte ich zu bleiben.

Begleitsätze, die etwas über die Charaktere verraten

Was aber ist, wenn ihr in den Begleitsätzen mehr Informationen unterbringen wollt? Das sind einige Fragen, die ihr euch in dem Fall stellen könnt: Wie sehen eure Protagonisten aus? Was sind typische Aktionen für sie? Wie ist ihre Stimmung während des Dialogs?

Man kann dazu eigene Absätze schreiben, in denen ihr sie mit Größe, Alter, Augenfarbe, ihrem Schulabschluss und ihrer Einstellung zur Deutschen Bahn etc. vorstellt. Persönlich mag ich diese Art der Einführung von Protagonisten nicht so gern. Selbst dann nicht, wenn all das für die Handlung wichtig ist. Denn für den Einschub wird die Geschichte angehalten und Schwung herausgenommen. Eine andere Methode ist es, diese Informationen einzuflechten. Das geht so:

„Was ist das denn für ein Unsinn?“ Er stand auf, wobei er mit dem Bauch gegen die Tischplatte stieß, sodass die als Truppen dienenden Steine wackelten und hüpften. „Was sollte Vigri in Naarved machen, wenn es doch seine Aufgabe ist, Elvritshalla zu schützen?“

Tad Williams: Das Herz der verlorenen Dinge

Ihr haltet Herzog Isgrimnur, den „Er“ aus dem Begleitsatz, jetzt wohl eher nicht für den sportlichen Typen, oder? Es ist auch subtiler als: Herzog Isgrimnur war ein Mann mit einem mächtigen Bauch.

Was für einen Eindruck gewinnt ihr von Adéle?

Charaktere beschreiben durch Handlungen: Eine junge Frau schminkt sich die Lippen„Und Sie?“

Adéle schminkte sich gerade die Lippen.

„Ich …“ Ein exakt gezogener Bogen mit dem sattroten Lippenstift. „Ich …“ Ein Blick in den Spiegel. „… habe überhaupt nichts zu sagen. Alle Männer sind gemein.“

Georges Simenon: Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Vom Lippenstift leiten wir ab, dass sie auch sonst Wert auf ihr Äußeres legt. Wir ergänzen Kajal, Rouge und eine modische Frisur.1Oder Wimperntusche, nachgezogene Augenbrauen und Stöckelschuhe. Durch ein Detail gelingt es Simenon, ein ganzes Bild der Person vor meinen Augen entstehen zu lassen.

Statt die Fragen von Kommissar Maigret zu beantworten, zieht Adéle es vor, ihren Lippenstift aufzufrischen. Das unterstreicht ihre mündlich geäußerte Ablehnung, mit ihm zu kooperieren. Ist das nicht viel aussagekräftiger, als wenn sie die Lippen zusammengepresst oder die Arme verschränkt hätte?

Voraussetzung für einen gelungenen Begleitsatz, der mir etwas über die Figuren verrät, ist, dass ich meine Charaktere kenne. Ich muss wissen, wie sie aussehen, handeln, sich bewegen, über sich selbst denken und auf andere wirken. Dann kann ich Sätze schreiben, die sie lebendig werden lassen.

Begleitsätze, die die Umgebung zeigen

Damit der Begleitsatz im Hintergrund bleibt, kann in ihm nicht zu viel von der Umgebung erwähnt werden. Es reicht für eine knarrende Holztreppe, die Sonne, die einem in die Augen scheint, den Duft von frischgebackenen Waffeln oder …

Eine schwarz-weiße Katze liegt auf einer Mauer und blickt den Betrachter an.Es gibt keine Teufel!“, schrie der Dichter und riss den Kater endgültig aus dem Schlaf. „Es gibt keine! Teufel existieren nicht, zum Teufel!“

Andrzej Sapkowski: Der Rand der Welt, in: Der letzte Wunsch

einen armen Kater, der nicht in Ruhe schlafen kann. Der Begleitsatz teilt uns nicht viel über den Schauplatz mit. Auch die Handlung treibt er nicht voran. Aber er macht die Szene anschaulich.

“Das ist das, was uns die Gemüseverschwörer weismachen wollen”, antwortete Uwe und stellte die leere Flasche auf dem breiten Handlauf der Reling ab.

Alexander Graff: Die Tintenfischfalle

Diese alltägliche Handlung sticht heraus, weil es eine ist, die selten gezeigt wird. Das Geheimnis von guten Begleitsätzen2und insgesamt gutem Schreiben ist nämlich, sich eine Szene genau vorzustellen und individuelle Details auszuwählen. In „Die Tintenfischfalle“ wird zusätzlich etwas wieder aufgegriffen, nämlich das Bier, das die beiden Männer an Bord des Schiffs gerade trinken. Zu Anfang des Gesprächs bringt Uwe die Bierflaschen mit, während des Gesprächs trinken sie daraus. Die Szene wird plastischer, indem sie Gegenstände einbindet, die bereits genannt wurden, und die Handlung fortführt – am Ende sind die Flaschen leer. Dadurch entsteht ein Gefühl von Kontinuität und Glaubwürdigkeit.

Begleitsätze, die Spannung aufbauen

Diese bieten sich besonders bei Konflikten und Androhung von Gewalt an.

„Ich sage es jetzt zum allerletzten Mal, Locke.“ Jean biss auf die Zähne und richtete den Bolzen mit ruhiger Hand genau auf die Stelle zwischen Lockes Augen. „Nimm den Finger vom Abzug und gib mir deine verdammte Waffe. Sofort.

Scott Lynch: Sturm über roten Wassern

Durch den Begleitsatz erfahren wir, dass Jean keine leere Drohung ausstößt. Er hat die Mittel – eine Armbrust -, um Locke zum Aufgeben zu zwingen. Das erhöht die Spannung.

Aber auch wenn einer der Gesprächspartner etwas zu verheimlichen hat oder sich seltsam verhält, kann dieser Eindruck durch passende Begleitsätze erzeugt oder verstärkt werden, wenn das Gesagte nicht mit der Gestik und Mimik des Sprechenden zusammenpasst.

Begleitsätze, die die wörtlichen Rede mit der Handlung verschränken

„Die Abendpost, Sir“, sagte er und überreichte Ackroyd das Tablett mit den Briefen.

Agatha Christie: Alibi

Ich finde das elegant. Ein unauffälliger Begleitsatz, der die wörtliche Rede aufgreift und ihr hinzufügt, wie Ackroyd die Briefe erhält. Wörtliche Rede und Inquit-Formel fließen ineinander, was einen angenehmen Leserhythmus bewirkt.

Der Begleitsatz im obigen Beispiel könnte auch weggelassen werden. Wir wüssten trotzdem, was passiert. Uns würde nur die zusätzliche Information fehlen, wie die Briefe übergeben werden. Im folgenden Zitat sieht das anders aus:

Tschick klappte die Sonnenbrille hoch, setzte sich auf den Fahrersitz und wühlte mit beiden Händen in den Kabeln rum: „Du musst das hier auf Dauerplus legen, die Fünfzehn auf die Dreißig. Da ist die dicke Klemme für.“

Wolfgang Herrndorf: Tschick

Ohne den passenden Begleitsatz wäre die wörtliche Rede nicht verständlich. Wir wüssten nicht, was man auf die Dauerplus legen soll. Beides zusammen vermittelt uns einen Eindruck, was Tschick tut.

Begleitsätze, die mehrere Funktionen erfüllen

Nun habe ich meine Begleitsätze so schön in Kategorien eingeteilt. Dabei können sie mehrere Funktionen erfüllen. Wir wissen durch den Begleitsatz aus „Das Herz der verlorenen Dinge“ nicht nur, wie Isgrimnur aussieht, sondern auch, dass er vor einem Tisch sitzt, auf dem er die Truppenbewegungen von Freund und Feind nachvollzieht. Tad Williams zeigt uns mit diesem Begleitsatz das Aussehen der Person, einen Teil der Umgebung sowie die Situation, es herrscht Krieg.

Für Adéle gilt dasselbe: Der Begleitsatz verrät nicht nur etwas über ihr Aussehen, sondern auch was sie typischerweise dabeihat (Lippenstift, Spiegel) und ihre Einstellung gegenüber Männern und der Polizei. Der Begleitsatz aus „Tschick“ verbindet nicht nur die Handlung mit der wörtlichen Rede, sondern wir erfahren auch, dass Tschick eine Sonnenbrille trägt.

Es ist ja auch logisch, das ein Begleitsatz nicht auf eine der Funktionen beschränkt ist. Oft lassen sich ganz natürlich mehrere in einem Begleitsatz vereinen. Generell solltet ihr unterschiedliche Arten von Begleitsätzen mischen, damit sie abwechslungsreich bleiben. Wenn immer nur weitere Details der Umgebung enthüllt werden, wirkt das bald eintönig.

Begleitabsätze

Meistens will man, dass der Fokus auf dem liegt, was gesagt wird, weshalb ich empfehle, nur ein, maximal zwei Sätze zwischen der wörtlichen Rede einzufügen. Manchmal jedoch steht dort ein ganzer Absatz oder mehr. Das Tempo des Dialogs sinkt dadurch, aber solche Absätze eignen sich gut, wenn das Gesagte nicht so wichtig ist wie das, was drumherum geschieht, was die Sprechenden denken oder wie sie sich verhalten.

In „Autorität“ von Jeff VanderMeer wird Spannung erzeugt, in dem ein Regierungsbeauftragter sich Methoden überlegt, wie er aus der Verhörten die Wahrheit herausbekommt, versucht, sie aus dem Konzept zu bringen und jede ihrer Reaktionen beobachtet und analysiert. Das nonverbale Katz-und-Maus-Spiel nimmt viel mehr Raum ein als die wörtliche Rede.

Auch bei einem Roman, der generell ein ruhigeres Tempo anschlägt, kann man mit Begleitabsätzen arbeiten. Oder bei einem Gespräch zwischen zwei Ehepartnern, die sich entfremdet haben und nicht wissen, worüber sie reden könnten. Oder bei einem Dialog zwischen schläfrigen Personen usw.

Was letztendlich zählt …

ist kreativ zu bleiben beim Schreiben. Nutzt die Charaktere, die Umgebung, die Atmosphäre, um passende Begleitsätze zur wörtlichen Rede zu schreiben. Stellt interessante Details heraus. Vermeidet den Rückgriff auf abgenutzte Begleitsätze. Je ungewöhnlicher oder unverbrauchter das Bild ist, das ihr benutzt, desto eher bleibt es bei Leser*innen hängen. Schon Kleinigkeiten reichen, um Geschichten lebendiger zu machen. Und da ein Dialog durchaus mal länger dauert, bietet er viele Möglichkeiten, nach und nach immer mehr Details zu ergänzen. So entsteht ein immer dichteres, aussagekräftigeres Bild der Szene. Auch hilfreich: Wenn im Satz eine Bewegung vorkommt, z. B. ein aufschreckender Kater. Selbst wenn nicht wirklich etwas passiert, allein die Bewegung erweckt den Illusion, es sei etwas passiert.

Ich möchte auch noch mal auf die Nützlichkeit hinweisen, Beispiele für gutes und schlechtes Schreiben zu sammeln. Die Zitate in den drei Beiträgen stammen größtenteils aus meiner Datei mit Beispielen. Die, die nicht daraus stammen, habe ich nun darin eingetragen.

Jirō Taniguchi: Meister des meditativen Mangas

Cover von Jirō Taniguchis "Der spazierende Mann". Ein Mann sitzt in einer Astgabel und schaut in den Himmel. Im Hintergrund eine japanische Kleinstadt.

Ist euch die Welt manchmal auch zu hektisch, zu laut, zu vereinnahmend? Habt ihr den Eindruck, nicht in euch zu ruhen? Sehnt ihr euch nach einer Oase des Friedens inmitten des Trubels? Dann sind die Mangas von Jirō Taniguchi (1947-2017) genau das Richtige für euch. Denn sie erinnern uns daran, im Hier und Jetzt zu leben.

Meditatives Spazieren mit Jirō Taniguchi

In „Der spazierende Mann“  tut ein Mann genau das, er geht spazieren. Auf seinen Spaziergängen liest er einen herrenlosen Hund auf, wird nassgeregnet, hilft Kindern, ihren Drachen von einem Baum zu holen, erklimmt einen Hügel, schließt Bekanntschaft mit einem Vogelbeobachter … Nichts davon ist spektakulär, denn Taniguchi richtet seinen Blick auf die kleinen Dinge, die uns im Alltag so oft entgehen. Wann seid ihr das letze Mal mit voller Aufmerksamkeit auf eure Umwelt spazieren gegangen? Habt dabei nicht aufs Handy geschaut, einen Podcast gehört oder über Probleme auf Arbeit nachgedacht? Jirō Taniguchis Protagonist aber geht spazieren und sonst nichts. Er nimmt die Welt um sich herum mit allen Sinnen wahr und es fühlt sich an, als würde ich an seiner Seite spazieren.

Cover von Jirō Taniguchis "Der Kartograph". Ein Mann und eine Frau sitzen in einem Boot und schauen nach oben.„Der Kartograph“1Meine Ausgabe heißt „Furari“, weil ich den Band auf Französisch besitze. geht ebenfalls spazieren, aber er hat ein Ziel. Es handelt sich nämlich um Inō Tadataka (1745-1818), der als Erster eine vollständige durch Messungen erfasste Karte Japans erstellt hat. Dafür ging er mit genau gleich langen Schritten bestimmte Strecken ab.

Bei Tanuguchi begleiten wir ihn durch die quirligen Straßen Edos2das heutige Tokio, auf eine Bootsfahrt im Mondschein mit seiner Frau, bei der sie den Sternenhimmel bewundern, beim Besuch eines Tempels, um für das Wohlergehen seiner Familie zu beten, oder wenn er sich vorstellt, wie die Welt wohl aus Sicht einer Libelle aussieht. Auch hier liegt der Fokus auf der genauen Wahrnehmung der Umwelt und den vielen kleinen, alltäglichen Geschichten. Den Nudelverkäufern am Straßenrand, den spielenden Kindern, dem wandernden Haiku-Dichter. Vor allem aber widmet er sich wieder der Schönheit und Faszination der Natur, ob es die Wolken am Himmel, die Kirschblüte oder ein Blick auf die andere Flußseite ist.

All diese Geschichten wären ohne seine Zeichnungen, die diese Szenen ausdrucksstark einfangen, nicht so beeindruckend. Minutenlang kann ich ein einziges Bild von einer von Glühwürmchen erhellten Nacht ansehen.

Aber die meditativen sind doch die besten

Falls ihr nicht so für Meditation zu haben seid, Jirō Taniguchi kann auch Geschichten mit „echter“ Handlung. Für „Die Schrift des Windes“, einem Manga über eine Familie von Samurai, hat er die Zeichnungen beigesteuert, „Ein Zoo im Winter“ ist ein halbautobiografisches Werk über den Weg eines jungen Mannes zum Mangazeichner und in „Vertraute Fremde“ findet sich ein Mann plötzlich als 14-jähriges Ich in seiner Vergangenheit wieder3wobei ich gestehen muss, dass ich letzteres von der Art der Zeichnungen schon wieder sehr meditativ finde.

Für mich aber sind seine meditativen Mangas der wahre Schatz. Wenn ich mich gestresst fühle, überfordert, unausgeglichen, dann schlage ich einen dieser Mangas auf und atme durch. Und alles ist gut.

Der Tee, der dem ersten Newtonschen Gesetz trotzt

Ein Glas Tee mit einem Stängel Minze steht auf einem Untersetzer aus Bast

Jetzt seid ihr bestimmt neugierig, was Newton mit Tee und dem Schreiben zu tun hat. Nun ja, das erste Newtonsche Gesetz beschreibt folgendes Prinzip:

Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern jener nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.

Anders ausgedrückt: Was sich erst mal in eine Richtung bewegt, bewegt sich weiter in diese Richtung, wenn es nicht durch andere Kräfte gestoppt wird. Oder wenn es sich nicht bewegt, bewegt es sich auch weiterhin nicht, außer es wird durch einen äußeren Umstand dazu gezwungen. Diese Naturgesetze müssen auch beim Schreiben beachtet werden, z. B. im Zusammenhang mit Tee.1Auch wenn wir dafür nicht wissen müssen, wie es heißt.

Was hat Newton mit Belletristik zu tun?

Ein Glas Tee mit einem Stängel Minze steht auf einem Untersetzer aus BastDer Typ ist groß und hat einen Seitenscheitel. In der einen Hand hält er einen Becher Tee […]

Eine halbe Seite später fällt dem Typen auf, dass er gerade die Person getroffen hat, die er gesucht hat. So verleiht er seiner Freude Ausdruck:

„Victoria Spring!“ Er reißt aufgeregt die Arme hoch.

Alice Oseman: Solitaire

Physik ist nicht meine starke Seite, aber eins weiß ich: Wenn ich eine Hand nach oben reiße, in der ich einen Becher mit Tee halte, dann spritzt der Tee an die Decke.2Oder eben: „Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern jener nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“ Und es befindet sich Tee in dem Becher, denn er trinkt wenig später daraus.

Vielleicht wollte die Autorin einen interessanten Begleitsatz zur wörtlichen Rede schreiben und nicht etwas wie Er schaut mich aufgeregt an. Sie hatte aber offensichtlich ihr Setup nicht gut im Blick.3Und ihr*e Lektor*in ebenfalls nicht. Die Szene ist dadurch nicht logisch, weil sich der Tee nicht an Newtons erstes Gesetz hält.

Wie vermeidet man solche Fehler, bei denen Naturgesetze gebrochen werden?

Die Naturgesetze beim Schreiben beachten

Einer meiner Autoren versetzt sich in seine Charaktere und nimmt die Umgebung mit allen Sinnen wahr. Er sieht das Meer von seiner Bank auf der Promenade, er spürt das raue Holz unter sich, hört die Rufe der Hafenarbeiter und riecht den Rosenstrauch neben sich. Er lässt die Szene aber auch weiterlaufen. Wenn hinter ihm eine Eisverkäuferin ihren Wagen entlangschiebt, übertönen ihre Rufe die der Hafenarbeiter und ein kühler Luftzug streift seinen Nacken. Auch dass ihr Ruf lauter ist und der Luftzug ihn kühlt, hat mit irgendwelchen Naturgesetzen zu tun.4Wer sich Fleißpunkte verdienen möchte, kann in die Kommentare schreiben, um welche es sich handelt. 😉

Ich denke, dieser Autor hätte im Blick gehabt, was passiert, wenn jemand einen Becher mit Tee nach oben reißt. Denn er hätte vor seinem inneren Auge durchgespielt, wie die Szene realistischerweise abläuft, und den Tee nach oben spritzen sehen.

Selbst bei Fantasy oder Science-Fiction müsst ihr die Naturgesetze beim Schreiben beachten. In den Welten dort mögen andere gelten als bei uns, aber auch dort gibt es welche. Wenn dort Tee im Becher bleibt, wenn man die Arme nach oben reißt, muss er immer im Becher bleiben. Er kann nicht in einer Szene auf einmal an die Decke spritzen.

Habt ihr noch andere Ideen, was man tun kann, um Problemen mit den Naturgesetzen auf die Schliche zu kommen?

PS: In dem Ausschnitt aus Solitaire versteckt sich noch ein weiterer Fehler. Woher weiß Victoria, dass sich in dem Becher Tee befindet, wenn der Typ mehrere Meter von ihr entfernt steht? Zur Perspektive – denn um einen Perspektivfehler handelt es sich hier – hat meine Kollegin Anya Lothrop einen Artikel veröffentlicht. Auch der Fehler wäre entdeckt worden, wenn man durch die Augen der Protagonistin geblickt hätte. So hätte man festgestellt, dass man den Inhalt des Bechers nicht sehen kann.

Welche Begleitsätze zur wörtlichen Rede du vermeiden solltest

Begleitsätze, die ihr vermeiden solltet: Eine junge Frau schläft auf einem Stapel Bücher, vermutlich nachdem sie zu viele davon gelesen hat

Im letzten Beitrag habe ich erklärt, was Begleitsätze zur wörtlichen Rede sind und welche es davon gibt. Heute mache ich mit den Begleitsätzen weiter, die man vermeiden sollte: den Lückenfüllersätzen, Aufmerksamkeit heischenden Begleitsätzen und solchen, die die Aussage der wörtlichen Rede wiederholen. Wie man erkennt, ob es sich um solche Sätze handelt, und warum man sie vermeiden sollte, erfahrt ihr jetzt.

Lückenfüllersätze

Was mir immer wieder auffällt – in Manuskripten, die ich bearbeite, aber auch in veröffentlichten Büchern – sind Begleitsätze wie:

„Lorem ipsum dolor sit amet“, sagte er, ohne sie anzuschauen.

Sie musterte ihn, sah weg, schaute ihn wieder an. „Consectetur adipisici elit.“

Er wich ihrem Blick aus. „Sed eiusmod tempor incidunt ut labore.“

Ihre Blicke trafen sich, bevor er zu Boden schaute.

Beliebt sind auch: nickte sie, er schüttelte den Kopf, sie ballte die Hände zu Fäusten, er zog die Schultern/Augenbrauen hoch, sie lächelte, er verschränkte die Arme.

Diese Sätze können ihre Berechtigung haben. Wenn jemand permanent Blickkontakt ausweicht, vermuten wir, dass er etwas zu verbergen hat. Dann wäre es allerdings kein Lückenfüllersatz mehr, weil es uns etwas über die Person verrät und Spannung aufbaut: Lügt sie? Wenn ja, warum? Oder scheut sie nur Blickkontakt?

Auch gegen Rumo nickte ist erst einmal nichts einzuwenden. Die Begleitsätze sollen schließlich nicht zu sehr vom Dialog ablenken. Was aus meiner Sicht aber gar nicht geht, ist: „Oh ja!“ Rumo nickte. Darauf komme ich gleich zurück.

Begleitsätze, die ihr vermeiden solltet: Eine junge Frau schläft auf einem Stapel Bücher, vermutlich nachdem sie zu viele davon gelesen hatIhr habt vielleicht schon gemerkt, warum Sätze wie er presste die Lippen zusammen, sie lächelte, er runzelte die Stirn langweilig sind. Es handelt sich um Gestik und Mimik, die wir hundertfach verwenden. Daher fallen sie einem direkt ein, wenn man überlegt, was man Charaktere tun lassen könnte. Das wiederum bedeutet, dass sie abgenutzt sind und keine ausdrucksstarken Bilder beim Lesen erzeugen. Sie eignen sich nicht, um das Charakteristische eines Protagonisten zu zeigen, weil wir alle diese Gesten verwenden. Sie eignen sich weder um die Handlung voranzutreiben noch um Spannung aufzubauen.

Das Aneinanderreihen solcher Sätze – statt ein vereinzeltes Auftreten – spricht dafür, dass die Schreibenden wissen, dass man Dialoge auflockert, aber nicht wie man das macht. Deshalb nenne ich diese Sätze Lückenfüller: Man entscheidet sich für das, was einem als Erstes in den Sinn kommt. Aber das Erste ist nicht das Beste, es füllt nur eine Lücke.

Aufmerksamkeit heischende Begleitsätze

Das sind Begleitsätze, die gelehrt daherkommen:

„Das ist aber aufschlußreich“, konstatierte der vigilante Anwalt eloquent.

„Was sollte das denn?“, begehrte seine Lebensabschnittspartnerin zu wissen.

„Und dadurch fingen die Vorhänge Feuer“, rekonstruierte Herr Schneider mit analytischem Instinkt zielsicher den Unfallhergang.

Diese Begleitsätze sind oft umständlich, mit Fremdwörtern und gehobenen Ausdrücken gespickt und lenken die Aufmerksamkeit auf sich. Statt den üblichen Verben sagen, fragen oder antworten stehen möglichst ungewöhnliche wie resümieren, elaborieren oder echauffieren.

Begleitsätze sollen die wörtliche Rede unterstützen, aber nicht die Aufmerksamkeit an sich reißen. Abgesehen davon reißen sie aus dem Lesefluss, weil man sich fragt: „Soll ich vigilant1aufmerksam jetzt nachschlagen oder ignoriere ich das einfach?“ Diese Begleitsätze wirken meist zu bombastisch für die wörtliche Rede, zu der sie gehören.

Verwenden kann man sie dagegen, wenn der Erzähler sich über jemanden lustig machen will:

„Das war blöd“, erhellte Lisa uns mit ihrer Weisheit.

Aber auch das verliert seine Wirkung, wenn es zu häufig eingesetzt wird.

Die Aussage der wörtlichen Rede wiederholende Begleitsätze

Manche Autor*innen scheinen zu befürchten, dass ihren Leser*innen die Bedeutung der wörtlichen Rede entgehen könnte. Um auf Nummer sicher zu gehen, schreiben sie einen Begleitsatz, der die Aussage noch einmal erläutert.

„Danke“, erwiderte sie mit einem dankbaren Blick.

Georgette Heyer: Heiratsmarkt

Oder:

„Nieder mit dem Kapitalismus!“ Birtes leidenschaftlicher Aufruf machte ihre politische Ansicht nur allzu deutlich.

Und was ist mit: „Oh ja!“ Rumo nickte.

Weil diese Doppelung unnötig ist, wir aber wissen wollen, wie Rumo auf Smeiks Frage reagiert, hat Walter Moers stattdessen klugerweise nur Rumo nickte geschrieben.

Die wörtliche Rede sollte eindeutig sein. Und wenn sie eindeutig ist, bedarf sie keiner Wiederholung im Begleitsatz. Denn diese ist dann nicht nur unnötig, sondern ruft auch Langeweile hervor. Wir bekommen schließlich etwas noch einmal präsentiert, was wir bereits wissen.

Fallen euch noch andere Arten von Begleitsätzen zur wörtlichen Rede ein, die man vermeiden sollte?

Ihr habt den ersten Teil verpasst? Dann klickt hier:

Im dritten Teil geht es mit den Begleitsätzen weiter, die Dialoge bereichern.

Begleitsätze zur wörtlichen Rede

Zwei Meisen unterhalten sich an einer Vogeltränke

Ihr habt sicher schon oft Tipps dazu gesehen, wie man glaubwürdige Dialoge schreibt. Aber wie steht es mit Ratschlägen zu den Sätzen, die die wörtliche Rede begleiten? Diese Begleitsätze sind keine reine Dekoration, sondern erfüllen eine wichtige Funktion. Sie können eine Menge dazu beitragen, eine Geschichte interessant zu gestalten, und man sollte die Möglichkeiten nutzen, die sie bieten. Darum solltet ihr auch ihnen viel Aufmerksamkeit widmen.

Was ist ein Begleitsatz zur wörtlichen Rede?

Zwei Meisen unterhalten sich an einer Vogeltränke„Hat Poirot noch nach anderem gefragt?“, erkundigte ich mich.

Agatha Christie: Alibi

Bei erkundigte ich mich handelt es sich um einen solchen Satz, genau wie bei sagte er, antworteten sie etc. Das ist die kürzeste Form.

Das ist eine längere Version eines Begleitsatzes mit zusätzlichen Informationen:

„Die Abendpost, Sir“, sagte er und überreichte Ackroyd das Tablett mit den Briefen.

Agatha Christie: Alibi

Begleitsätze, die mit einem Verb des Sprechens an die wörtliche Rede angehängt sind, werden auch Inquit-Formel genannt.

Aber der Begleitsatz muss nicht an eine wörtliche Rede angeschlossen sei, er kann einen selbstständigen Satz bilden wie hier:

„Bist du bereit, die größte und älteste Geschichte Zamoniens zu hören, mein Sohn?“

Rumo nickte.

„Sie ist Milliarden von Jahren alt.“ Smeik wedelte dramatisch mit seinen vierzehn Armen.

Walter Moers: Rumo und die Wunder im Dunkeln

Rumo nickte ist ein Begleitsatz zur wörtlichen Rede, genau wie Smeik wedelte dramatisch mit seinen vierzehn Armen.

Die Relevanz von Begleitsätzen

Es gibt viele Gründe, Dialoge in Begleitsätze einzubetten. Sie sorgen dafür, dass ein Roman nicht wie ein Theaterstück wirkt, indem sie die wörtliche Rede auflockern. Dafür, dass man weiß, wer redet, vor allem dann, wenn mehr als zwei Personen sprechen. Oder sie vermitteln Kontext: Wo und wann spielt das Ganze? Was ist das für eine Person, die da spricht? Was passiert währenddessen drumherum? Die Sätze können das Gesagte auch konterkarieren, wenn die Mimik und Gestik der Sprecherin etwas anderes auszudrücken scheinen als ihre Worte.

Jetzt enthält ein Roman normalerweise viele Dialoge – wie soll man da nur lauter bedeutungsvolle Begleitsätze finden? Das ist zum Glück nicht nötig. Oft reicht ein einfaches sagte er oder fragte sie, sonst können die Begleitsätze zu sehr von der wörtlichen Rede ablenken. Es geht also auch darum, zu entscheiden, wann man welche Art von Begleitsatz wählt. Das führt uns zur nächsten Frage: Was für Begleitsätze zur wörtlichen Rede gibt es?

Die Arten von Begleitsätzen

Ich unterscheide verschiedene Arten von solchen Sätzen:

  • schlichte Begleitsätze
  • Aufmerksamkeit heischende Begleitsätze
  • Lückenfüllersätze
  • die wörtliche Rede wiederholende Begleitsätze
  • Begleitsätze, die etwas über die Charaktere mitteilen
  • Begleitsätze, die die wörtlichen Rede mit der Handlung verschränken
  • Begleitsätze, die die Umgebung/Atmosphäre zeigen
  • Begleitsätze, die Spannung aufbauen

Dass Smeik beim Geschichtenerzählen dramatisch mit seinen vierzehn Armen wedelt, kann ausdrücken, dass er gern im Mittelpunkt steht oder dass er Freude daran hat zu erzählen (und wie er aussieht, falls wir noch nicht wussten, dass er vierzehn Arme besitzt).

Dass eine Person Ackroyd seine Briefe auf einem Tablett bringt, sagt uns einmal, dass es sich bei der Person um einen Bediensteten und bei Ackroyd um einen wohlhabenden Mann handelt, der sich sowohl Bedienstete als auch einen gehobenen Lebensstandards leisten kann1Oder besitzt ihr Tabletts für eure Post?.

Und sagte er ist ein schlichter Begleitsatz, einer ohne unnötigen Schnickschnack.

Ihr wollt mehr darüber wissen? Was es genau mit den verschiedenen Arten auf sich hat, wann man welche einsetzt und welche man meiden sollte? In den nächsten Wochen und Monaten werde ich weitere Beiträge dazu veröffentlichen.

 

Alice Munro (1931-2024): Eine Würdigung

Gorßeltern sitzen mit ihren Enkeltöchtern auf einer Veranda

Alice Munro, die kanadische Schriftstellerin, Meisterin der Kurzgeschichte, Literaturnobelpreisträgerin von 2013, ist tot. Sie ist am 13. Mai gestorben. Geschrieben hat sie seit 2012 nicht mehr und das war ihr gutes Recht, sie war damals schon über achtzig. Aber was sie hinterlassen hat, ist ein Werk, das einzigartig ist.

Gorßeltern sitzen mit ihren Enkeltöchtern auf einer VerandaAlice Munros Protagonisten sind meistens Frauen. Frauen stehen meist auch im Mittelpunkt ihrer Geschichten. Familien. Das Zwischenmenschliche. Ihre Geschichten handeln von der Ablösung von den Eltern, der Unsicherheit der Pubertät, dem Scheitern von Ehen, dem Zurechtkommen mit Erwartungen, die die Gesellschaft an Frauen stellt, dem Hineinwachsen in die Mutterrolle, oft auch über Verlust – das alles und viel mehr waren ihre Themen. Diese Themen schweben vor allem im Ungesagten, zwischen den Zeilen, den Wörtern. In ihren Geschichten passiert häufig nichts Dramatisches, sie schildert Alltäglichkeiten. Das war ihre große Kunst: Einen die Dinge fühlen, erfahren zu lassen, ohne sie zu sagen.

Eine weitere große Kunst ist, wie sie eine Stimmung, einen Ort, eine Zeit einfangen kann; die Schläfrigkeit eines heißen, drückenden Sommertags, die klirrende Kälte eines kanadischen Wintermorgens, den Geschmack von reifen Himbeeren, die man sich von einer Hecke gepflückt hat. Sie fängt Sinneseindrücke ein und entwirft Metaphern, die einen unmittelbar hineinversetzen.

Kunst ist auch, wie sie ihre Kurzgeschichten erzählt. Sie widersetzen sich der traditionellen Struktur, starten in der Mitte oder am Ende, entrollen sich mal rückwärts, mal vorwärts, mal beides, setzen die Geschichte in Bruchstücken zusammen, bis man ein Bild erhält.

Ihre Kunst zeigt sich in ihren häufig offenen Enden, die Lesende animieren, den Gefühlen nachzuspüren, mit denen ihre Protagonistinnen und wir die Geschichte verlassen. Der Frage, wie ihr Leben weitergehen kann und wird.

Für mich ist Alice Munro eine der größen Schreibenden des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Ich bin sicher, dass ihr Einfluss noch lange anhalten wird.

11 Klassiker der Literatur, die man lesen muss

Alte Bibliothek mit Stuckdecke und marmornen Säulen.

Oder auch nicht. Ganz wie ihr wollt. Aber wenn ihr beim Lesen Spaß haben wollt und euch für Klassiker der Literatur interessiert, habe ich elf Tipps für euch. Denn es gibt sie, die Klassiker, die sich immer noch gut lesen lassen.

Wenn euch meine Empfehlungen nicht reichen, in seinem Essayband „Books and You“ hat W. Somerset Maugham seine Favoriten zusammengestellt und betont dabei ebenfalls, dass das Lesen Vergnügen bereiten solle, weshalb er auch nur die aufgenommen hat, die ihm gefallen haben.1Worunter sich allerdings Werke wie „Krieg und Frieden“ finden, von dem ich nur abraten kann. Aber Lesbarkeit und Vergnügen sind eben auch subjektive Kriterien.

Was war das noch mal, ein Klassiker?

Ein Klassiker ist ein Werk, das

  • ein zeitloses Thema2z. B. die große Liebe verlieren, Loyalität versus dem eigenen Gewissen folgen etc. auf eine Art und Weise behandelt, dass wir heute noch davon berührt werden,
  • Generationen von Menschen, insbesondere Schriftstellern, beeinflusst hat,
  • ein Genre wesentlich geprägt hat, durch seinen Inhalt oder einen innovativen, neuen Stil und seine Sprache,
  • uns lebendige Einblicke in eine vergangene Zeit gibt.

Klingt doch eigentlich nicht schlecht. Warum liest man Literaturklassiker meistens trotzdem nur gezwungenermaßen in der Schule? Die Antwort findet ihr hier:

Wer legt fest, auf welche Werke diese Kriterien zutreffen? Wer bestimmt, ob ein Buch zur Weltliteratur zählt oder „nur“ ein Klassiker der deutschen Literatur ist? Verlage? Literaturkritiker? Ein Komitee aus Buchlingen? Leider gibt es weder ein Komitee noch einen verbindlichen, von diesem beschlossenen Kanon der Klassiker, in dem man nachschlagen kann.

Aber wie alt ein Roman sein muss, um zu den Klassikern zu gehören, das kann man doch sagen, oder? Ab wann sich feststellen lässt, ob er wesentlichen Einfluss auf unsere Kultur hat? Für Penguin reichen bereits wenige Jahre, um als moderner Klassiker zu gelten.

Meine Vorschläge dagegen enden in den 1920ern. Nicht, weil ich glaube, dass man erst nach hundert Jahren sagen kann, was zu den Klassikern der Literatur zählt. Sondern weil einige der Gründe, aus denen wir uns mit Klassikern schwertun, mit Beginn des 20. Jahrhunderts verschwinden. Die langatmigen Beschreibungen und unwesentlichen Abschweifungen werden seltener und auch die Sprache wandelt sich, wird moderner. Ich will euch aber vor allem die älteren schmackhaft machen, bei denen man befürchtet, sich durchzuquälen.

Meine Tipps

Alte Bibliothek mit Stuckdecke und marmornen Säulen.Gotthold Ephraim Lessing: „Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück“ (1767)

Dem Theaterstück merkt man sprachlich das Alter an, aber witzig ist es immer noch. Minna von Barnhelm reist ihrem Verlobten Major von Tellheim nach Berlin hinterher, da sie seit Monaten nichts von ihm gehört hat. Zwar findet sie ihn, aber er möchte die Verbindung lösen, weil ihm Bestechlickeit im Amt vorgeworfen wird, und lehnt jede Hilfe von ihr als auch von Freunden ab. Sie ersinnt eine unterhaltsame Intrige, um ihn umzustimmen, die beinahe nach hinten losgeht.

Jane Austen: „Stolz und Vorurteil“ (1813)

Ein Buch, das – wie weitere auf dieser Liste – eigentlich keine Vorstellung braucht. Die stolze Elizabeth Bennett und der hochmütige Fitzwilliam Darcy müssen beide lernen, ihre Vorurteile abzulegen und über andere nicht zu urteilen, bevor sie zueinander finden können.

 Charles Dickens: „Eine Weihnachtsgeschichte“ (1843)

Der Geizhals Ebenezer Scrooge erhält am Weihnachtsabend Besuch von seinem verstorbenen Teilhaber und drei Geistern, die ihm die Augen dafür öffnen, was wirklich zählt im Leben – und das ist nicht, noch mehr Geld zu scheffeln. 😉

Lewis Caroll: „Alice im Wunderland“ (1865)

Wer von uns würde nicht einem sprechenden weißen Kaninchen mit Taschenuhr in seinen Bau folgen? Ich würde es machen in der Hoffnung, der Grinsekatze zu begegnen. Oder würdet ihr lieber Tee mit dem verrückten Hutmacher trinken oder Krocket mit der Herzkönigin spielen?

Emile Zola: „Germinal“ (1894)

Germinal ist keine leichte Lektüre. Etienne Lantier, ein Maschinist und Verfechter des Sozialismus, führt die Minenarbeiter in Voreux zum Streik gegen die Ausbeutung durch die Grubenbesitzer und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Aber nicht alle schließen sich an. Wird es den Streikenden trotzdem gelingen, ihre Forderungen durchzusetzen? Ja, stellenweise habe ich mich durch dieses Buch wegen seiner Langatmigkeit gequält, aber die Geschichte mit ihrer lebensnahen Darstellung des elenden Alltags der Minenarbeiter und ihrer Familien sowie den realistischen Figuren und ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben ist mir sehr nahe gegangen.

Orson Wells: „Die Zeitmaschine“ (1895)

Ein Erfinder reist mit seiner Zeitmaschine in die Zukunft und trifft auf die kindlichen, sorglosen, humanoiden Eloi, die ein paradiesisches Leben ohne Arbeit zu führen scheinen. Aber wer versorgt sie mit allem, was sie brauchen? Und warum haben sie solche Angst vor der Dunkelheit? Als der Zeitreisende diesen Fragen nachgeht, stößt er auf erschreckende Antworten.

Orson Wells: „Krieg der Welten“ (1898)

Es ist ein riesiges Spektakel für die Bewohner von Woking, Surrey, als ein vermeintlicher Meteor landet. Die Aufregung wird noch größer, als sich herausstellt, dass es sich um eine Art Raumkapsel handelt, aus der Marsianer steigen. Doch sie sind nicht in friedlicher Absicht gekommen …3Wer hätte es bei dem Titel gedacht? 😉

Arthur Conan Doyle: „Sherlock Holmes“ (1887-1927)

Bis zur BBC-Serie „Sherlock“ konnte ich mich mit dem berühmten Detektiv nicht anfreunden. Zu kalt, zu rational und arrogant war er mir. Aber Benedict Cumberbatch und Martin Freeman haben den Figuren eine emotionale Tiefe gegeben, die ich nun mitlese, wenn ich das Ursprungswerk aufschlage. Ist es nicht großartig, was Kunst imstande ist zu leisten? Dass neue Interpretationen dazu in der Lage sind, uns einen Zugang zum Original zu eröffnen?

J. M. Barrie: „Peter und Wendy“ (1911)

„Alle Kinder werden erwachsen. Nur eines nicht.“4J. M. Barrie: Peter und Wendy. Noch einer dieser großartigen Buchanfänge. Vordergründig ist „Peter und Wendy“ ein Abenteuerfantasyroman mit Piraten, Indianern, Feen, Meerjungfrauen und einem tickenden Korokodil. Aber es ist auch ein Roman darüber, warum wir erwachsen werden und welchen Preis man zahlt, wenn man sich dem verweigert.

Arthur Conan Doyle: „Die vergessene Welt“ (1912)

Professor Challenger behauptet, dass auf einem versteckten Hochplateau in Südamerika als ausgestorben geltende Tierarten überlebt haben. Doch er wird für einen Betrüger gehalten. Um seine Aussagen zu beweisen, führt er eine Expedition auf das Plateau. Ein unterhaltsamer Mix aus Abenteuer und Science-Fiction.

Agatha Christie: „Alibi“ (1926)

„Alibi“ ist mein Lieblingskrimi von Agatha Christie. Mit ihm gelang ihr der Durchbruch als Schriftstellerin und sie löste mit dem Buch in den Reihen der Krimischriftsteller einen Skandal aus, weil sie etwas tat, was man angeblich nicht tun darf – aber gerade das macht den Roman so außergewöhnlich (gut).

Was bei den Klassikern fehlt

Ja, ich weiß, Autorinnen sind rar auf meiner Liste. Kennt ihr einen Klassiker der Literatur, der von einer Frau geschrieben wurde und von dem ihr meint, er gehöre auf meine Liste? Oder einen anderen Klassiker, den ihr für lesenswert haltet?

Was auf meiner Liste ganz fehlt, sind Klassiker außerhalb meines Kulturkreises. Auch das sollten wir uns immer wieder bewusst machen. Wenn wir in Nordeuropa über Klassiker reden5oder ganz allgemein über Literatur, meinen wir die der westlichen Kultur. Welche chinesischen Klassiker gibt es? Welche Werke haben die arabische Literatur maßgeblich beeinflusst? Welche afrikanische Autorin hat mit ihrem innovativen Stil eine neue Epoche in der Belletristik eingeläutet? Ich weiß es nicht, wüsste es aber gerne.

Falls ihr Lust bekommen habt, einen der Romane zu lesen, zum Glück gibt es das Projekt Gutenberg, in dem viele urheberrechtsfreie Werke auf Deutsch verfügbar sind, sowie das internationale Project Gutenberg mit Büchern in vielen Sprachen, hauptsächlich aber Englisch.

Wie läuft eine Zusammenarbeit im Lektorat ab?

Blick über die Trave auf die Lübecker Altstadt

Wer zum ersten Mal ein Manuskript lektorieren lassen möchte, muss eventuell eine Hemmschwelle überwinden, um Kontakt mit jemandem aus meiner Zunft aufzunehmen. Denn was kommt da auf einen zu? Wie funktioniert eine Zusammenarbeit im Lektorat? Sie kann jedenfalls viel mehr sein, als nur ein Manuskript abzugeben und es überarbeitet zurückzuerhalten. 

Der erste Kontakt

Meistens bekomme ich Anfragen per E-Mail. Theoretisch könnt ihr auch anrufen, aber wenn ich mitten in einem Auftrag stecke, lasse ich mich ungern vom Telefon aus dem Flow reißen. Außerdem hatte ich schon mehrere Scam-Anrufe.1Für den Enkeltrick bin ich zu jung, aber es gibt auch andere Maschen.

Am besten ist es, wenn ihr direkt so viele Details wie möglich liefert: Genre, Inhalt in zwei bis drei Sätzen, Anzahl der Normseiten und in welchem Zeitraum ihr das Lektorat erledigt haben wollt. Dann kann ich schnell einschätzen, ob ich die richtige Lektorin für euer Projekt bin.

Einige Kolleg*innen bestehen in der Phase auf ein Kennenlerngespräch per Telefon oder online. Ich biete das machmal an, gerade bei größeren Projekten. Ihr könnt mich danach fragen, wenn euch das für eine persönliche Zusammenarbeit wichtig ist, dann vereinbaren wir einen Termin.

Im nächsten Schritt einigen wir uns. Wir sprechen ab, wie intensiv ich das Lektorat durchführen soll und ob ich mein Augenmerk auf irgendetwas besonders richten soll,  z. B. darauf, ob die gruselige Stimmung gut eingefangen ist. Und wir legen ein Honorar fest.

Aber was passiert dann?

Die klassische Zusammenarbeit im Lektorat

Die klassische Zusammenarbeit beinhaltet den geringsten direkten Austausch zwischen meinen Kund*innen und mir.

Nachdem ich euren Text erhalten habe, mache ich einen ersten Durchgang des Lektorats, in dem ich auf Struktur und Inhalt achte. Gibt es Handlungsfäden, die nie aufgelöst werden? Ist der Showdown dramatisch genug? Ihr bekommt den Text mit meinen Anmerkungen zurück, arbeitet sie ein oder lehnt sie ab und gebt mir den Text wieder. Im zweiten Durchgang achte ich auf Stil und Sprache. Quillt der Text von Adjektiven und Adverbien über? Hören sich alle Charaktere gleich an, wenn sie reden?

Ich greife teilweise in den Text ein, streiche einzelne Wörter oder auch ganze Absätze, die aus meiner Sicht überflüssig sind, und formuliere kleinere Stellen um. Vor allem aber nutze ich die Kommentarfunktion. Darüber erläutere ich, warum ich eine Szene streichen würde oder mich die Entwicklung der Handlung nicht überzeugt. Mir ist es wichtig, dass ihr nachvollziehen könnt, warum ich Änderungen vorschlage.

Während beider Durchgänge bemühe ich mich, zwischendurch Rückmeldung zum aktuellen Stand zu geben. Oft ergeben sich auch Fragen, die ich klären will. Die Kommunikation läuft meist über E-Mail.

Was ist, wenn diese Art des Lektorats nicht zu euch passt? Es geht auch anders – mit persönlichen Treffen, Beratung per Telefon, Brainstorming per Videokonferenz und Online-Whiteboard zum Sammeln der Ideen etc.

Die Zusammenarbeit vor Ort

Eine sehr bereichernde Zusammenarbeit ergab sich 2021 mit Alice Moustier für ihr Buch „Scheitern als Businessbeschleuniger“, das sie gemeinsam mit Christian Dräger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Drägerwerks, verfasst hat und das vor Kurzem erschienen ist.

Blick über die Trave auf die Lübecker AltstadtSie rief bei mir an, weil es ihr nicht recht gelang, das Material, das sie in Interviews mit Christian Dräger gesammelt hatte, in eine strukturierte Form zu bringen. Schnell waren wir uns einig, gemeinsam am Aufbau des Buches zu arbeiten. Alice Moustier lud mich ein, dafür ein verlängertes Wochenende zu ihr nach Lübeck zu kommen. Ich sagte zu, nahm meinen Freund mit und verbrachte so im Grunde meine erste Workation.2Auch wenn ich das Wort damals noch nicht kannte. Tagsüber arbeiteten wir bei frühsommerlichen Temperaturen in einem sonnigen Innenhof, ab dem späten Nachmittag zeigte sie uns Lübeck.

Das Interessante ist, dass Alice Moustier und ich gegensätzliche Persönlichkeiten sind, uns aber hervorragend ergänzt haben.

Bei dieser Zusammenarbeit habe ich gemerkt, wie inspirierend es ist, zu zweit zu brainstormen, Ideen zu diskutieren und zu ordnen und wie viel Kreativität dadurch freigesetzt wird. Seitdem führe ich solche Gespräche gern mit Kund*innen durch, weil auch ich noch mal auf ganz andere Vorschläge komme, als wenn ich allein an einem Text sitze.

Die Zusammenarbeit über Anrufe

Treffen sind jedoch eher selten. Meine Kund*innen stammten bisher schließlich aus ganz Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Aber auch Anrufe eignen sich gut, um miteinander ein Manuskript zu bearbeiten.

Eine Kundin hatte einen starken Anfang für einen historischen Roman, ein interessantes Setting und interessante Figuren, aber dem zweiten Akt fehlte der Schwung und der rote Faden. Daran haben wir in mehreren wöchentlichen Videocalls gearbeitet.

Ein anderer Kunde wollte, glaube ich, vor allem telefonieren, um beim Lautdenken seine Gedanken zu sortieren, denn ich kam selten zu Wort. Am Ende war er immer recht zufrieden mit dem, was er sich überlegt hatte, und schlug vor, aufzulegen, und ich fragte dann, ob ihn auch meine Meinung interessiert. 🙂

Was ist das Richtige für euch?

Macht euch daher Gedanken, wie ihr tickt oder was für die Schwierigkeiten, die ihr habt, die beste Herangehensweise ist. Vielleicht helfen euch Telefonate/Videokonferenzen zur gemeinsamen Lösungssuche bei Problemen viel mehr als eine überarbeitete Version eures Manuskripts zurückzuerhalten. Ich bin auch offen für neue Arten der Zusammenarbeit im Lektorat, an die ich bisher vielleicht nicht einmal gedacht habe. Behaltet im Hinterkopf, dass es nicht die eine Art gibt, ein Lektorat durchführen zu lassen. Ihr wollt für euer Geld am Ende schließlich ein Ergebnis haben, mit dem ihr etwas anfangen könnt.

„Bis wir uns fanden. Japans erstes schwules Ehepaar“

Cover des Mangas "Bis wir uns fanden. Japans erstes schwules Ehepaar", das zwei sich umarmende Männer zeigt.

Cover des Mangas "Bis wir uns fanden. Japans erstes schwules Ehepaar", das zwei sich umarmende Männer zeigt.Lange glaubte Ryousuke Nanasaki, es müsse eine Strafe sein, dass er schwul geboren war. Das schreibt er zu Beginn des autobiografischen Mangas „Bis wir uns fanden. Japans erstes schwules Ehepaar“ (erschienen 2022 bei HAYABUSA, einem Carlsen Imprint). Es war ein langer Weg, bis er sich akzeptieren konnte, wie er war. Von diesem Weg erzählt er in dem gleichnamigen Roman als auch in dem darauf basierenden Manga, den ich gelesen habe.

Für seine angeblich feminine Art wird Ryousuke Nanasaki schon als Kind gehänselt und als Jugendlicher als Schwuchtel bezeichnet. Mit aller Macht versucht er, ein „echter“ Junge zu sein. Aber dann verliebt er sich in seinen besten Freund und kann die Augen nicht mehr davor verschließen, dass er sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt.

Offen spricht der Autor über schmerzhafte Erfahrungen, peinliche Momente, durch sein „Anderssein“ ausgelöste Depressionen, Versuche, sich in Frauen zu verlieben und das jahrelange Schweigen über seine Homosexualität. Wir dürfen aber auch an den schönen Momenten teilhaben: seinem Coming-out, der Unterstützung, die er in seinem Tokioer Freundeskreis erhält, Datingerfahrungen und Beziehungen und seiner Hochzeit. Denn 2016 heiraten sein Partner und er und sind damit die ersten, die in Japan eine religiös anerkannte gleichgeschlechtliche Ehe eingehen.

„Bis wir uns fanden. Japans erstes schwules Ehepaar“ ist ein Manga, der mich sehr berührt hat. Er hat mir Einblicke in das Leben von jemandem ermöglicht, der Diskriminierung erfahren hat, die ich als heterosexuelle Frau nie erfahren werde. Wie es ist, wenn man sich rund um die Uhr verstellen muss. Wie es ist, mit der ständigen Angst vor Zurückweisung aufgrund der sexuellen Orientierung zu leben. Wie es ist, deshalb reelle Zurückweisung zu erleben. Umso schöner, dass es für den Autor ein Happy End gab.

Ryousuke Nanasaki wurde 1987 in Sapporo in der Präfektur Hokkaido geboren und lebt heute in Tokio. Er ist ein bekannter japanischer LGBT-Aktivist und gründete 2015 eine Hochzeitsagentur für homosexuelle Paare.