Oder auch nicht. Ganz wie ihr wollt. Aber wenn ihr beim Lesen Spaß haben wollt und euch für Klassiker der Literatur interessiert, habe ich elf Tipps für euch. Denn es gibt sie, die Klassiker, die sich immer noch gut lesen lassen.
Was war das noch mal, ein Klassiker?
Ein Klassiker ist ein Werk, das
- ein zeitloses Thema1z. B. die große Liebe verlieren, Loyalität versus dem eigenen Gewissen folgen etc. auf eine Art und Weise behandelt, dass wir heute noch davon berührt werden,
- Generationen von Menschen, insbesondere Schriftstellern, beeinflusst hat,
- ein Genre wesentlich geprägt hat, durch seinen Inhalt oder einen innovativen, neuen Stil und seine Sprache,
- uns lebendige Einblicke in eine vergangene Zeit gibt.
Klingt doch eigentlich nicht schlecht. Warum liest man Literaturklassiker meistens trotzdem nur gezwungenermaßen in der Schule? Die Antwort findet ihr hier:
Wer legt fest, auf welche Werke diese Kriterien zutreffen? Wer bestimmt, ob ein Buch zur Weltliteratur zählt oder „nur“ ein Klassiker der deutschen Literatur ist? Verlage? Literaturkritiker? Ein Komitee aus Buchlingen? Leider gibt es weder ein Komitee noch einen verbindlichen, von diesem beschlossenen Kanon der Klassiker, in dem man nachschlagen kann.
Aber wie alt ein Roman sein muss, um zu den Klassikern zu gehören, das kann man doch sagen, oder? Ab wann sich feststellen lässt, ob er wesentlichen Einfluss auf unsere Kultur hat? Für Penguin reichen bereits wenige Jahre, um als moderner Klassiker zu gelten.
Meine Vorschläge dagegen enden in den 1920ern. Nicht, weil ich glaube, dass man erst nach hundert Jahren sagen kann, was zu den Klassikern der Literatur zählt. Sondern weil einige der Gründe, aus denen wir uns mit Klassikern schwertun, mit Beginn des 20. Jahrhunderts verschwinden. Die langatmigen Beschreibungen und unwesentlichen Abschweifungen werden seltener und auch die Sprache wandelt sich, wird moderner. Ich will euch aber vor allem die älteren schmackhaft machen, bei denen man befürchtet, sich durchzuquälen.
Meine Tipps
Gotthold Ephraim Lessing: „Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück“ (1767)
Dem Theaterstück merkt man sprachlich das Alter an, aber witzig ist es immer noch. Minna von Barnhelm reist ihrem Verlobten Major von Tellheim nach Berlin hinterher, da sie seit Monaten nichts von ihm gehört hat. Zwar findet sie ihn, aber er möchte die Verbindung lösen, weil ihm Bestechlickeit im Amt vorgeworfen wird, und lehnt jede Hilfe von ihr als auch von Freunden ab. Sie ersinnt eine Intrige, um ihn umzustimmen.
Jane Austen: „Stolz und Vorurteil“ (1813)
Ein Buch, das – wie weitere auf dieser Liste – eigentlich keine Vorstellung braucht. Die stolze Elizabeth Bennett und der hochmütige Fitzwilliam Darcy müssen beide lernen, ihre Vorurteile abzulegen und über andere nicht zu urteilen, bevor sie zueinander finden können.
Charles Dickens: „Weihnachtslied“ (1843)2auch bekannt als „Eine Weihnachtsgeschichte“ oder „Ein Weihnachtsabend“
Der Geizhals Ebenezer Scrooge erhält am Weihnachtsabend Besuch von seinem verstorbenen Teilhaber und drei Geistern, die ihm die Augen dafür öffnen, was wirklich zählt im Leben – und das ist nicht, noch mehr Geld zu scheffeln. 😉
Lewis Caroll: „Alice im Wunderland“ (1865)
Wer von uns würde nicht einem sprechenden weißen Kaninchen mit Taschenuhr in seinen Bau folgen? Ich würde es machen in der Hoffnung, der Grinsekatze zu begegnen. Oder würdet ihr lieber Tee mit dem verrückten Hutmacher trinken oder Krocket mit der Herzkönigin spielen?
Emile Zola: „Germinal“ (1894)
Germinal ist keine leichte Lektüre.3auch weil es sehr ausufernd ist Etienne Lantier, ein Maschinist und Verfechter des Sozialismus, führt die Minenarbeiter in Voreux zum Streik gegen die Ausbeutung durch die Grubenbesitzer und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Aber nicht alle schließen sich an. Wird es den Arbeitern trotzdem gelingen, ihre Forderungen durchzusetzen?
Orson Wells: „Die Zeitmaschine“ (1895)
Ein Erfinder reist mit seiner Zeitmaschine in die Zukunft und trifft auf die kindlichen, sorglosen, humanoiden Eloi, die ein paradiesisches Leben ohne Arbeit zu führen scheinen. Aber wer versorgt sie mit allem, was sie brauchen? Und warum haben sie solche Angst vor der Dunkelheit? Als der Zeitreisende diesen Fragen nachgeht, stößt er auf erschreckende Antworten.
Orson Wells: „Krieg der Welten“ (1898)
Es ist ein riesiges Spektakel für die Bewohner von Woking, Surrey, als ein vermeintlicher Meteor landet. Die Aufregung wird noch größer, als sich herausstellt, dass es sich um eine Art Raumkapsel handelt, aus der Marsianer steigen. Doch sie sind nicht in friedlicher Absicht gekommen …4Wer hätte es bei dem Titel gedacht? 😉
Arthur Conan Doyle: „Sherlock Holmes“ (1887-1927)
Bis zur BBC-Serie „Sherlock“ konnte ich mich mit dem berühmten Detektiv nicht anfreunden. Zu kalt, zu rational und arrogant war er mir. Aber Benedict Cumberbatch und Martin Freeman haben den Figuren eine emotionale Tiefe gegeben, die ich nun mitlese, wenn ich das Ursprungswerk aufschlage. Ist es nicht großartig, was Kunst imstande ist zu leisten? Dass neue Interpretationen dazu in der Lage sind, uns einen Zugang zum Original zu eröffnen?
J. M. Barrie: „Peter und Wendy“ (1911)
„Alle Kinder werden erwachsen. Nur eines nicht.“5J. M. Barrie: Peter und Wendy. Noch einer dieser großartigen Buchanfänge. Vordergründig ist „Peter und Wendy“ ein Abenteuerfantasyroman mit Piraten, Indianern, Feen, Meerjungfrauen und einem tickenden Korokodil. Aber es ist auch ein Roman darüber, warum wir erwachsen werden und welchen Preis man zahlt, wenn man sich dem verweigert.
Arthur Conan Doyle: „Die vergessene Welt“ (1912)
Professor Challenger behauptet, dass auf einem versteckten Hochplateau in Südamerika als ausgestorben geltende Tierarten überlebt haben. Doch er wird für einen Betrüger gehalten. Um seine Aussagen zu beweisen, führt er eine Expedition auf das Plateau. Ein unterhaltsamer Mix aus Abenteuer und Science-Fiction.
Agatha Christie: „Alibi“ (1926)
„Alibi“ ist mein Lieblingskrimi von Agatha Christie. Mit ihm gelang ihr der Durchbruch als Schriftstellerin und sie löste mit dem Buch in den Reihen der Krimischriftsteller einen Skandal aus, weil sie etwas tat, was man angeblich nicht tun darf – aber gerade das macht den Roman so außergewöhnlich (gut).
Ja, ich weiß, Autorinnen sind rar auf meiner Liste. Kennt ihr einen Klassiker der Literatur, der von einer Frau geschrieben wurde und von dem ihr meint, er gehöre auf meine Liste? Oder einen anderen Klassiker, den ihr für lesenswert haltet?
Was auf meiner Liste ganz fehlt, sind Klassiker außerhalb meines Kulturkreises. Auch das sollten wir uns immer wieder bewusst machen. Wenn wir in Nordeuropa über Klassiker reden6oder ganz allgemein über Literatur, meinen wir die der westlichen Kultur. Welche chinesischen Klassiker gibt es? Welche Werke haben die türkische Literatur maßgeblich beeinflusst? Welche afrikanische Autorin hat mit ihrem innovativen Stil eine neue Epoche in der Belletristik eingeläutet? Ich weiß es nicht, wüsste es aber gerne.
Falls ihr Lust bekommen habt, einen der Romane zu lesen, zum Glück gibt es das Projekt Gutenberg, in dem viele urheberrechtsfreie Werke auf Deutsch verfügbar sind, sowie das internationale Project Gutenberg mit Büchern in vielen Sprachen, hauptsächlich aber Englisch.