Wie läuft eine Zusammenarbeit im Lektorat ab?

Wer das erste Mal ein Manuskript lektorieren lassen möchte, muss eventuell  eine Hemmschwelle überwinden, um Kontakt aufzunehmen. Denn was kommt da auf einen zu? Wie funktioniert eine Zusammenarbeit im Lektorat?

Der erste Kontakt

Meistens bekomme ich Anfragen per E-Mail. Theoretisch könnt ihr auch anrufen, aber wenn ich mitten in einem Auftrag stecke, lasse ich mich ungern vom Telefon aus dem Flow reißen. Außerdem hatte ich schon mehrere Scam-Anrufe.1Für den Enkeltrick bin ich zu jung, aber es gibt auch andere Maschen.

Am besten ist es, wenn ihr direkt so viele Details wie möglich liefert: Genre, Inhalt in zwei bis drei Sätzen, Anzahl der Normseiten und in welchem Zeitraum ihr das Lektorat erledigt haben wollt. Dann kann ich schnell einschätzen, ob ich die richtige Lektorin für euer Projekt bin.

Einige Kolleg*innen bestehen in der Phase auf ein Kennenlerngespräch per Telefon oder online. Ich biete das machmal an, gerade bei größeren Projekten. Ihr könnt mich danach fragen, wenn euch das für eine persönliche Zusammenarbeit wichtig ist, dann vereinbaren wir einen Termin.

Im nächsten Schritt einigen wir uns. Wir sprechen ab, wie intensiv ich das Lektorat durchführen soll und ob ich mein Augenmerk auf irgendetwas besonders richten soll,  z. B. darauf, ob die gruselige Stimmung gut eingefangen ist. Und wir legen ein Honorar fest.

Aber was passiert dann?

Die klassische Zusammenarbeit im Lektorat

Die klassische Zusammenarbeit beinhaltet den geringsten direkten Austausch zwischen meinen Kund*innen und mir.

Nachdem ich euren Text erhalten habe, mache ich einen ersten Durchgang des Lektorats, in dem ich auf Struktur und Inhalt achte. Gibt es Handlungsfäden, die nie aufgelöst werden? Ist der Showdown dramatisch genug? Ihr bekommt den Text mit meinen Anmerkungen zurück, arbeitet sie ein oder lehnt sie ab und gebt mir den Text wieder. Im zweiten Durchgang achte ich auf Stil und Sprache. Quillt der Text von Adjektiven und Adverbien über? Hören sich alle Charaktere gleich an, wenn sie reden?

Ich greife teilweise in den Text ein, streiche einzelne Wörter oder auch ganze Absätze, die aus meiner Sicht überflüssig sind, und formuliere kleinere Stellen um. Vor allem aber nutze ich die Kommentarfunktion. Darüber erläutere ich, warum ich eine Szene streichen würde oder mich die Entwicklung der Handlung nicht überzeugt. Mir ist es wichtig, dass ihr nachvollziehen könnt, warum ich Änderungen vorschlage.

Während beider Durchgänge bemühe ich mich, zwischendurch Rückmeldung zum aktuellen Stand zu geben. Oft ergeben sich auch Fragen, die ich klären will. Die Kommunikation läuft meist über E-Mail.

Was ist, wenn diese Art des Lektorats nicht zu euch passt? Es geht auch anders – mit persönlichen Treffen, Beratung per Telefon, Brainstorming per Videokonferenz und Online-Whiteboard zum Sammeln der Ideen etc.

Die Zusammenarbeit vor Ort

Eine sehr bereichernde Zusammenarbeit ergab sich 2021 mit Alice Moustier für ihr Buch „Scheitern als Businessbeschleuniger“, das sie gemeinsam mit Christian Dräger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Drägerwerks, verfasst hat und das vor Kurzem erschienen ist.

Blick über die Trave auf die Lübecker AltstadtSie rief bei mir an, weil es ihr nicht recht gelang, das Material, das sie in Interviews mit Christian Dräger gesammelt hatte, in eine strukturierte Form zu bringen. Schnell waren wir uns einig, gemeinsam am Aufbau des Buches zu arbeiten. Alice Moustier lud mich ein, dafür ein verlängertes Wochenende zu ihr nach Lübeck zu kommen. Ich sagte zu, nahm meinen Freund mit und verbrachte so im Grunde meine erste Workation.2Auch wenn ich das Wort damals noch nicht kannte. Tagsüber arbeiteten wir bei frühsommerlichen Temperaturen in einem sonnigen Innenhof, ab dem späten Nachmittag zeigte sie uns Lübeck.

Das Interessante ist, dass Alice Moustier und ich gegensätzliche Persönlichkeiten sind, uns aber hervorragend ergänzt haben.

Bei dieser Zusammenarbeit habe ich gemerkt, wie inspirierend es ist, zu zweit zu brainstormen, Ideen zu diskutieren und zu ordnen und wie viel Kreativität dadurch freigesetzt wird. Seitdem führe ich solche Gespräche gern mit Kund*innen durch, weil auch ich noch mal auf ganz andere Vorschläge komme, als wenn ich allein an einem Text sitze.

Die Zusammenarbeit über Anrufe

Treffen sind jedoch eher selten. Meine Kund*innen stammten bisher schließlich aus ganz Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Aber auch Anrufe eignen sich gut, um miteinander ein Manuskript zu bearbeiten.

Eine Kundin hatte einen starken Anfang für einen historischen Roman, ein interessantes Setting und interessante Figuren, aber dem zweiten Akt fehlte der Schwung und der rote Faden. Daran haben wir in mehreren wöchentlichen Videocalls gearbeitet.

Ein anderer Kunde wollte, glaube ich, vor allem telefonieren, um beim Lautdenken seine Gedanken zu sortieren, denn ich kam selten zu Wort. Am Ende war er immer recht zufrieden mit dem, was er sich überlegt hatte, und schlug vor, aufzulegen, und ich fragte dann, ob ihn auch meine Meinung interessiert. 🙂

Was ist das Richtige für euch?

Macht euch daher Gedanken, wie ihr tickt oder was für die Schwierigkeiten, die ihr habt, die beste Herangehensweise ist. Vielleicht helfen euch Telefonate/Videokonferenzen zur gemeinsamen Lösungssuche bei Problemen viel mehr als eine überarbeitete Version eures Manuskripts zurückzuerhalten. Ich bin auch offen für neue Arten der Zusammenarbeit im Lektorat, an die ich bisher vielleicht nicht einmal gedacht habe. Behaltet im Hinterkopf, dass es nicht die eine Art gibt, ein Lektorat durchführen zu lassen. Ihr wollt für euer Geld am Ende schließlich ein Ergebnis haben, mit dem ihr etwas anfangen könnt.

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