Stephen King ist ein entschiedener Verfechter davon, die Geschichte während des Schreibens zu entdecken, Ken Follett und Syd Field sind entschiedene Verfechter davon, die Geschichte zu plotten. Auch ich bin schon gefragt worden, welche Einstellung ich vertrete.
Plotten? Drauflosschreiben? Das ist Typsache
Beides hat seine Vor- und Nachteile. Wenn man die ganze Geschichte schon vor dem Schreibprozess kennt, kann einem beim Schreiben langweilig werden oder man muss vieles umschmeißen, wenn einem beim Ausarbeiten neue, vielversprechendere Ideen kommen. Wenn man einfach drauflosschreibt, mäandert die Geschichte eventuell vor sich hin, sodass man am Ende sehr viel streichen muss, oder man landet in einer Sackgasse.
Ich finde daher nicht, dass es nur eine legitime Vorgehensweise gibt. Besser zu viel schreiben und später einige Kapitel streichen müssen, als gar nicht zu schreiben, weil das Plotten einem den ganzen Spaß daran nimmt. Und wenn man sich nun mal, ohne vorher zu plotten, ständig in den unendlichen Möglichkeiten verirrt, die eine Geschichte bietet, dann plant man eben alles im Vorhinein. Oder nutzt die Grauzone dazwischen – die Wendepunkte plotten, den Rest entdecken; die Hauptfigur, ihre Motivation und Ziel festlegen, aber wie sie dahinkommt, der Figur überlassen …
Aber das Verständnis für Story Structure sollte da sein
In beiden Fällen ist es nur wichtig, dass ein Verständnis für Story Structure an sich da ist. Denn auch wer intuitiv schreibt, achtet dann schon im Prozess darauf, eine Struktur zu entwickeln, merkt, wenn die Geschichte auf der Stelle tritt oder die Klimax zu überstürzt kommt.
Und egal ob man geplottet oder die Geschichte schreibend entdeckt hat, sollte man den ersten Entwurf auf seine Struktur überprüfen. Auch beim Plotten kann sich der Midpoint zu weit nach hinten verschieben, wenn Szenen davor zu lang geworden sind, und Vorausdeutungen können fehlen.
Lasst euch auf jeden Falll nicht einreden, dass es nur einen richtigen Weg gibt zu schreiben. Wir sind verschieden, warum sollte es also nur eine Methode fürs Schreiben geben, die für alle funktioniert? Solange am Ende eine spannende Geschichte herauskommt, ist es mir gleich, ob ihr sie beim Schreiben entdeckt oder vorher geplottet habt.
Die Schreibstrategien
Diesen August habe ich an dem großartigen Seminar „Der Plot in Romanen: Struktur visualisieren | Über den Plot sprechen“ von Dr. Eva-Maria Lerche teilgenommen. Thema war auch, dass wir bei einer Auftragsanfrage versuchen, zu klären, welche Schreibstrategie (auch als Schreibtypen bekannt) unser Gegenüber benutzt – das ist vor allem wichtig, wenn wir im Schreibprozess unterstützen sollen.
Frau Lerche hat uns vier Strategien vorgestellt:
- Drauflosschreiben
- Planen
- Puzzeln
- Versionen schreiben
Die ersten beiden habe ich in diesem Blogbeitrag betrachtet. Puzzler sind die, die beim Schreiben hin- und herspringen und immer dort arbeiten, wo es ihnen gerade Spaß macht. Andere schreiben verschiedene Versionen eines Abschnitts, bis sie damit zufrieden sind.
Eine ausführlichere Erklärung zu den Schreibtypen liefert Dagmar Knorr. Wenn ihr anschließend wissen wollt, welche Schreibstrategie die richtige für euch ist, macht den Test auf der Seite. Ich bin ein Architekten-Eichhörnchen.
Ihr wollt tiefer einsteigen? Bitte hier entlang
Eine gute Anleitung für entdeckendes Schreiben findet ihr bei Steven James „Story Trumps Structure“. Allerdings kann ich das Buch nur für Fortgeschrittene empfehlen, weil James davon ausgeht, dass seine Leser*innen mit Story Structure und der Drei-Akt-Struktur vertraut sind.
K. M. Weiland hat mehr Bücher zum Plotten geschrieben, als ich wahrscheinlich Artikel dazu verfassen werde. Auf ihrem Blog gibt es eine Serie zum Thema.
Hängt das Plotten nicht auch vom Genre ab? Ich stelle mir vor, dass beispielsweise ein Krimi gut durchgeplottet sein sollte, ein Roman mag vielleicht eher die lange Leine … (denkt diejenige, die sich im belletristischen Schreiben nicht auskennt). Was sagt die Fachfrau?
Das hätte ich auch gedacht, aber Steven James, der Thriller schreibt, plottet nicht. Für ihn kommt es darauf an, dass man den Überblick behält: Wenn man die Szenen vorher im Hinterkopf hat, ergibt es sich, wohin es führt. Und Zahlen habe ich leider keine, ob es unter Autor*innen bestimmter Genres mehr Plotter gibt als in anderen.