Blutrünstige Gewänder, magische Spaten und einen schrottsammelnden, friedfertigen Kriegsgott – damit wartet die sechsbändige Light-Novel-Reihe „Heaven Official’s Blessing“ von Mo Xiang Tong Xiu auf. Ursprünglich von 2017 bis 2018 in China als Webnovel veröffentlicht, wurde sie inzwischen in andere Sprachen übersetzt, z. B. von Tokyopop ins Deutsche.
Worum geht’s bei „Heaven Official’s Blessing“?
Xie Lian, Kronprinz des untergegangenen Reiches Xianle, steigt zum dritten Mal in den Himmel auf, nachdem er bereits zweimal von dort verbannt wurde. Sein Aufstieg löst wenig Begeisterung aus, denn dabei werden mehrere Paläste von anderen Göttern zerstört. Will Xie Lian nicht schon bald wieder vom Gott zum Sterblichen werden, muss er den Schaden ersetzen und Verbündete gewinnen. Als Erstes soll er sich um einen Geisterbräutigam kümmern, der am Berg Yujun Bräute entführt. Unerwartete Hilfe erfährt er dabei von Hua Cheng, einem der vier Geisterkönige, genannt der Blumensuchende Blutregen.
Die Handlung der Reihe folgt einmal den Aufgaben, die Xie Lian erhält und die voller Twists stecken. Außerdem erleben wir die Vertiefung der Beziehung zwischen ihm und Hua Cheng sowie die Enthüllung von Xie Lians Vergangenheit – was er mit dem Untergang des Reiches Xianle zu tun hat, wieso er aus dem Himmel verstoßen wurde, warum sich seine einstigen Weggefährten von ihm abgewandt haben. Dann kehrt Xie Lians größter Feind, das Unheil in Weiß, der über Jahrhunderte verschwunden war, zurück. Und es scheint, als stecke er hinter allen Schwierigkeiten, die Xie Lian begegnet sind.
Ich bin hingerissen von Kapitelüberschriften wie „Mit der Suppe des Kronprinzen unerwartete Gäste empfangen“, „Im Leben dasselbe Grab, doch kein Frieden unter der Erde“ und „Auf der Brücke in den Himmel erinnern sich drei Dummköpfe an alte Zeiten“. Ich habe die Hauptfigur Xie Lian, den liebenswerten, demütigen, an das Gute in allen Kreaturen glaubenden, schrottsammelnden Kriegsgott, und die anderen skurillen Figuren ins Herz geschlossen. Ich werde ständig von der Art zu erzählen, überrascht, da sie nicht den Normen entspricht, die ich aus westlicher Literatur gewohnt bin. Dazu das Worldbuilding, das sich völlig von dem westlicher Fantasy unterscheidet. Alles daran ist so erfrischend anders.
Warum „Heaven Official’s Blessing“ schwierig zu lesen ist
Andererseits ist „Heaven Official’s Blessing“ für uns verwirrend. Die Namen sind uns fremd, gleichzeitig kommen darin wie so oft in chinesischen Romanen sehr viele Charaktere vor. Die meisten haben neben ihrem Namen auch noch ein bis mehrere Titel. Ich habe mindestens vier Bände gebraucht, bis ich die verschiedenen Personen auseinanderhalten konnte. Dazu kommen die ganzen chinesischen Konzepte, mit denen wir nicht vertraut sind: Kultivierung, Konfuzianismus, Daoismus, traditionelle chinesische Medizin sowie kulturelle Anspielungen und Redewendungen etc. Die Reihe ist reich an Nebenhandlungen, die alle mit der Haupthandlung verknüpft sind. Auch wenn es manchmal sehr lange dauert, bis das offenbar wird. Da den Überblick zu behalten, ist schwierig.
Man kann die Bände zudem nicht allein für sich lesen. Wir sind es gewohnt, dass bei einer mehrbändigen Reihe jeder Band eine abgeschlossene Handlung hat. Alle Bände zusammen verfügen über eine übergeordnete Handlung. Typisch für chinesische Romane ist aber, dass alle Geschichten untrennbar verwoben sind. Während die eine Geschichte sich ihrem Höhepunkt nähert, kann eine weitere bereits parallel laufen. Manchmal wird sie von einer anderen unterbrochen und erst später fortgesetzt. Oder lose Fäden aus einer früheren Geschichte erweisen sich als Dreh- und Angelpunkt der nächsten. Dementsprechend enden die Bände auch nicht nach der Klimax, sondern im Falle von „Heaven Official’s Blessing“ z. B. in etwa nach 480 Seiten. Im Grunde handelt es sich nur um einen Roman, der in sechs Bände aufgeteilt wurde.
Aus Lektorinnensicht zum Haareraufen
Während die Reihe mich von Inhalt und Aufbau her begeistert, verzweifle ich an Stil und Sprache. So wechselt z. B. der personale Erzähler ständig, auch innerhalb von Absätzen. Ein Satz aus dieser Perspektive, der nächste aus der von jemand anderem, im dritten zurück zur ersten Person, im vierten Satz zu einer dritten. Einem wird davon schwindlig. Die Regel „show, don’t tell“, also uns nicht einfach zu sagen, wie sich jemand fühlt (Evelyn war traurig), sondern es uns zu zeigen (Evelyn schlug sich die Hände vors Gesicht und schluchzte), wird ebenfalls oft missachtet. Überflüssige Beschreibungen wie „Die Gruppe setzte sich in Bewegung und lief eine Zeit lang weiter“ und „Xie Lian beendete seine Schreibarbeit und hielt inne“ verlängern den Text unnötig. Immer wieder kommt es zu Wortwiederholungen:
Feng Xin und Mu Qing verstanden zunächst gar nichts. Aber als sie es begriffen, starrten sie Xie Lian schweigend an.
Shi Qingxuan war der Einzige, der nichts verstand.
Woran liegen diese Mängel? Einerseits könnten sie sich schon im Original finden. Entweder weil die Autorin nicht gelernt hat, wie man es macht, und der Text höchstwahrscheinlich nicht durch ein Lektorat ging. Oder weil es in China – bzw. in der Zielgruppe – als gut gilt, so zu schreiben. Ich kenne noch nicht genug chinesische Literatur, um das beurteilen zu können. Aber es kann auch mit etwas anderem zusammenhängen: Chinesisch gilt als eine der am schwierigsten zu übersetzenden Sprachen. Im Chinesischen könnten diese Sätze gelungen sein. Nur in der Übersetzung geht das verloren.
Xianxia, Danmei und die chinesische Zensur
„Heaven Official’s Blessing“ fällt unter Xianxia, ein Fantasy-Genre aus China. Nach „The Scum Villain’s Self-Saving System“ und „Grandmaster of Demonic Cultivation“1verfilmt als die Serie „The Untamed“2Ernsthaft, die Autorin hat es einfach raus mit genialen Titeln ist es die dritte Webnovel-Reihe von Mo Xiang Tong Xiu. Alle drei gehören zur Danmei-Literatur – Literatur, in denen es eine Liebesbeziehung zwischen den beiden männlichen Hauptcharakteren gibt.
Bei Crunchyroll könnt ihr die ersten beiden Staffeln des Donghua3Name für chinesische Animationsserien von „Heaven Official’s Blessing“ schauen.4Auf die weiteren Staffeln warte ich sehnsüchtig, weiß aber nicht, ob sie jemals herauskommen werden. Eine Realverfilmung wurde unter dem Namen „Eternal Faith“ bereits 2022 gedreht5Auf die ich nicht weniger sehnsüchtig warte. und hängt seitdem in der chinesischen Zensur fest. Alle Serien müssen in China durch die Zensur, aber Serien, die auf Danmei-Webnovels beruhen, haben es besonders schwer. Homosexualität ist in China nicht verboten, aber seine Darstellung fällt unter Pornographie. Darauf wiederum stehen Gefängnisstrafen. Die Serienmacher kämpfen bei der Umsetzung also damit, die Liebesbeziehung in eine oberflächlich betrachtet platonische zu verwandeln, während gleichzeitig mehr oder weniger subtil auf den wahren Charakter hingewiesen wird.
Fazit: Ich liebe „Heaven Official’s Blessing“ und das obwohl ich als Lektorin ständig den Rotstift ansetzen möchte. Wer sich für Fantasy interessiert und einmal etwas lesen möchte, das völlig anders ist, dem lege ich den Roman ans Herz.