Lektor*in ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das ist zum einen ein Segen – keine fünfzig Bewerbungen schreiben, zu fünf Vorstellungsgesprächen eingeladen werden und dann keinen Ausbildungsplatz erhalten1Oder würde man dafür eher einen Studiengang anbieten? – und zum anderen ein Fluch – wie weise ich nach, dass ich die nötigen Qualifikationen habe, als Lektorin zu arbeiten?
Viele von uns haben etwas studiert, das als Qualifikation für den Beruf als Lektor*in angesehen wird – Germanistik oder Literaturwissenschaft z. B. –, aber vorbereitet auf die Tätigkeit wird man dadurch nicht. Einige von uns haben in Verlagen gearbeitet, das ist keine schlechte Basis. Aber bei den meisten ist es wie bei mir ein Quereinstieg. Wie sorge ich dafür, dass ich die nötigen Kompetenzen erwerbe? Woher wisst ihr, ob wir Ahnung von dem haben, was wir tun?
Qualifikation durch Aus-, Fort- und Weiterbildungen
Die Qualifikation als Lektor*in erwirbt man z. B. über Fortbildungen. Von, zumindest gefühlt, jeder und jedem belegt, auch von mir, ist der Kurs Freies Lektorat von Irene Rumler bei der Akademie der deutschen Medien. Er gilt beim VFLL (Verband der freien Lektorinnen und Lektoren) als ein möglicher Nachweis, um eine Mitgliedschaft zu beantragen.
Die meisten Fortbildungen habe ich beim VFLL selbst gemacht. Dieser arbeitet seit letztem Jahr an einem Ausbau seines Fortbildungsprogramms, um uns sowohl ein solides Fundament für unsere Arbeit als auch Weiterbildungen zu den jeweils eigenen Schwerpunkten zu verschaffen.
Außerdem kann man bei der Textehexe und bei Lektorat Unker Kurse zur Weiter-/Ausbildung als Lektor*in belegen. Daneben gibt es weitere Anbieter, die ihre Seminare eher auf Schreibende ausrichten, bei denen es sich aber auch als Lektor*in immer mal wieder lohnt, ins Programm zu schauen. Dazu gehört das Nordkolleg Rendsburg.
Qualifikation durch Vernetzung
Einen großen Teil meiner Qualifikation gewinne ich durch den Austausch mit Kolleg*innen. Da ist einmal meine VFLL-Regionalgruppe Niedersachsen mit ihren monatlichen Stammtischen, auf denen wir uns über alle möglichen beruflichen Themen unterhalten. Es gibt die VFLL-Mailingliste, auf der alle Arten von Fragen gestellt werden – von der Kommasetzung über die Verwendung des unzuverlässigen Erzählers bis hin zu Problemen mit Word. Allein durch das Mitlesen werde ich ständig schlauer. Ich bin außerdem im Netzwerk Selfpublishing des VFLL, in dem wir uns damit beschäftigen, was im Selfpublishing von Lektor*innen speziell gebraucht wird. Mitglieder mit anderen Schwerpunkten und Interessen als ich sind z. B. im Netzwerk Kinder- und Jugendbuch, Bildungsmedien oder Digitalisierung.
Kollegialer Austausch in kleinen Gruppen liegt mir am meisten. Ebenfalls einmal im Monat treffe ich mich online mit drei anderen Lektorinnen, Kathrin Andreas, Sarah Zimmermann und Romy Schneider2s. Symbolbild 😉, die ich über eine Fortbildung des VFLL kennengelernt habe. Ihr findet sie auf meiner Profilseite unter Kooperationen. Wir sprechen über Themen wie Angebotsgestaltung, Verfassen von Exposés, das Einbinden von Rückblenden und empfehlen uns Fortbildungen. Manchmal holen wir uns Hilfe bei einem Manuskript, an dem wir gerade arbeiten – schaut euch mal diese Metapher an, die klingt doch schräg, aber warum? Ich weiß von anderen, dass auch sie mit Kolleg*innen in so einem engen Austausch sind.
Weitere Netzwerke, in denen sich Frauen aus der Buchbranche treffen, sind die Bücherfrauen und der Texttreff.
Eine Mischung aus beidem – Weiterbildung und Netzwerken – ist die Fachtagung Freies Lektorat, die letztmalig – und erstmalig mit mir – 2022 in Halle stattfand, sowie Buchmessen und der Self-Publishing-Day.
Qualifikation durch tägliche Weiterbildung
Abgesehen davon bilde ich mich im weiteren Sinne täglich fort. Über Schreibratgeber, Youtube-Videos, Blogbeiträge und Podcasts oder indem ich Beispiele für gutes Schreiben sammele. Genau genommen auch dadurch, dass ich lese und Serien und (seltener) Filme schaue. Weil ich das nicht kann, ohne mir Gedanken über die Story Structure, Dialoge, Charakterentwicklung etc. zu machen. Und so wie das kontinuierliche Schreiben die eigenen Fähigkeiten immer weiter verbessert, werden auch wir durch das Lektorieren, Kommentieren und Umschreiben der uns anvertrauten Texte immer besser.
Qualifikation von Lektor*innen einschätzen
Wie ihr vielleicht gemerkt habt, ist es nicht unbedingt leicht, unsere Qualifikation als Lektor*in sichtbar zu machen. Nicht einmal darüber, dass wir Fortbildungen auf unserer Website aufführen, weil es irgendwann den Rahmen sprengen würde, alle zu nennen. Trotzdem ist es ein guter Anhaltspunkt, bei der Suche nach einem Lektorat zu schauen, welche Fortbildungen die Person besucht hat und in welchen Netzwerken sie Mitglied ist. Blogs sind ein weiteres Mittel, unsere Kompetenz darzustellen. Manche haben Kundenstimmen auf ihrer Seite oder führen einige Auftraggeber auf. Falls ihr immer noch unschlüssig seid, könnt ihr nach einem Probelektorat oder einem Erstgespräch fragen, um euer Projekt vorzustellen.
Habt ihr euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie wir zu unserer Expertise kommen?
Sehr gut zusammengefasst, liebe Katrin. Gut auch, dass du die „tägliche Fortbildung“ wie etwa den kollegialen Austausch, Erfolgteams und das Lesen aufgenommen hast.
Liebe Andrea, danke! Fortbildungen sind die Highlights, aber ich finde es wichtig, nicht geringzuschätzen, wie viel wir in unserem beruflichen Alltag lernen.
Informativ, kompetent und leicht verständlich geschrieben. Jetzt bin ich etwas schlauer geworden. Vielen Dank!