Jirō Taniguchi: Meister des meditativen Mangas

Ist euch die Welt manchmal auch zu hektisch, zu laut, zu vereinnahmend? Habt ihr den Eindruck, nicht in euch zu ruhen? Sehnt ihr euch nach einer Oase des Friedens inmitten des Trubels? Dann sind die Mangas von Jirō Taniguchi (1947-2017) genau das Richtige für euch. Denn sie erinnern uns daran, im Hier und Jetzt zu leben.

Meditatives Spazieren mit Jirō Taniguchi

In „Der spazierende Mann“  tut ein Mann genau das, er geht spazieren. Auf seinen Spaziergängen liest er einen herrenlosen Hund auf, wird nassgeregnet, hilft Kindern, ihren Drachen von einem Baum zu holen, erklimmt einen Hügel, schließt Bekanntschaft mit einem Vogelbeobachter … Nichts davon ist spektakulär, denn Taniguchi richtet seinen Blick auf die kleinen Dinge, die uns im Alltag so oft engehen. Wann seid ihr das letze Mal mit voller Aufmerksamkeit auf eure Umwelt spazieren gegangen? Habt dabei nicht aufs Handy geschaut, einen Podcast gehört oder über Probleme auf Arbeit nachgedacht? Jirō Taniguchis Protagonist aber geht spazieren und sonst nichts. Er nimmt die Welt um sich herum mit allen Sinnen wahr und es fühlt sich an, als würde ich an seiner Seite spazieren.

Cover von Jirō Taniguchis "Der Kartograph". Ein Mann und eine Frau sitzen in einem Boot und schauen nach oben.„Der Kartograph“1Meine Ausgabe heißt „Furari“, weil ich den Band auf Französisch besitze. geht ebenfalls spazieren, aber er hat ein Ziel. Es handelt sich nämlich um Inō Tadataka (1745-1818), der als Erster eine vollständige durch Messungen erfasste Karte Japans erstellt hat. Dafür ging er mit genau gleich langen Schritten bestimmte Strecken ab.

Bei Tanuguchi begleiten wir ihn durch die quirligen Straßen Edos2das heutige Tokio, auf eine Bootsfahrt im Mondschein mit seiner Frau, bei der sie den Sternenhimmel bewundern, beim Besuch eines Tempels, um für das Wohlergehen seiner Familie zu beten, oder wen er sich vorstellt, wie die Welt wohl aus Sicht einer Libelle aussieht. Auch hier liegt der Fokus auf der genauen Wahrnehmung der Umwelt und den vielen kleinen, alltäglichen Geschichten. Den Nudelverkäufern am Straßenrand, den spielenden Kindern, dem wandernden Haiku-Dichter. Vor allem aber widmet er sich wieder der Schönheit und Faszination der Natur, ob es die Wolken am Himmel, die Kirschblüte oder ein Blick auf die andere Flußseite ist.

All diese Geschichten wären ohne seine Zeichnungen, die diese Szenen ausdrucksstark einzufangen, nicht so beeindruckend. Minutenlang kann ich ein einziges Bild von einer von Glühwürmchen erhellten Nacht ansehen.

Aber die meditativen sind doch die besten

Falls ihr nicht so für Meditation zu haben seid, Jirō Taniguchi kann auch Geschichten mit „echter“ Handlung. Für „Die Schrift des Windes“, einem Manga über eine Familie von Samurai, hat er die Zeichnungen beigesteuert, „Ein Zoo im Winter“ ist ein halbautobiografisches Werk über den Weg eines jungen Mannes zum Mangazeichner und in „Vertraute Fremde“ findet sich ein Mann plötzlich als 14-jähriges Ich in seiner Vergangenheit wieder3wobei ich gestehen muss, dass ich letzteres von der Art der Zeichnungen schon wieder sehr meditativ finde.

Für mich aber sind seine meditativen Mangas der wahre Schatz. Wenn ich mich gestresst fühle, überfordert, unausgeglichen, dann schlage ich einen dieser Mangas auf und atme durch. Und alles ist gut.

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