Wer gut schreiben will, muss viel lesen und viel üben. Ich finde aber auch, dass man viel sammeln muss. Sammeln? Genau, Beispiele dafür, wie man gut schreibt. Wieso muss ich an dieser Stelle lachen? Warum kann ich am Ende des Kapitels den Krimi nicht weglegen, sondern lese weiter? Weshalb habe ich das Gefühl, mich selbst auf der Brücke der Enterprise zu befinden? Wie machen die Autor*innen das nur?
Eine Datei von 30 Seiten (wachsend)
Um dieses Mysterium zu lüften, habe ich mir eine Datei angelegt, in der ich Beispiele für gutes Schreiben sammele: lebendige Beschreibungen, treffende Metaphern, Köder, die die Leser*innen in die Geschichte ziehen, geschickte Vorausdeutungen, packende Emotionen etc. Diese nutze ich einmal für mich selbst, indem ich mir überlege, warum das Beispiel funktioniert. Ich nutze die Beispiele außerdem, um meinen Kund*innen zu verdeutlichen, wie sie pointierter, witziger, spannender … schreiben können. Aber auch für meinen Blog kann ich auf diesen Fundus nun zurückgreifen wie z. B. für den Artikel Story Structure: Köder mich. 🙂
Wann immer ihr auf einen fesselnden Buchanfang stoßt, schreibt ihn euch auf, überlegt, warum er euch fesselt und was ihr daraus für euer Schreiben oder Lektorieren lernen könnt. Und wenn ihr als Autor*in oder Lektor*in merkt, dass dem Anfang des Manuskripts die Spannung fehlt, dann könnt ihr zur Inspiration in eure gesammelten Beispiele schauen.
Beispiele gefällig?
Erste Sätze, die mich begeistern, sind z. B.
Die Stadt brannte. (Andrzej Sapkowski: Das Erbe der Elfen)
Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley. (Daphne du Maurier: Rebecca)
Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm. (Stephen King: Schwarz)
Wenn es um Beschreibungen sowie Vergleiche und Metaphern geht, sind meine Favoriten Georges Simenon, Alice Munro und Raymond Chandler.
Es regnete noch immer, noch immer dieser Nieselregen, der sich auf die Scheiben legte, stumm und trüb vom Himmel fiel, und einem das Gefühl gab, man lebe in einem Aquarium. (Georges Simenon: Maigret und die Aussage des Ministranten)
[…] obwohl das die Jahreszeit war, in der sich Schneewehen wie schlafende Wale um das Haus legten […] (Alice Munro: Jungen und Mädchen)
Der Verkehrslärm vom Boulevard kam in Wellen, wie Brechreiz. (Raymond Chandler: Lebwohl, mein Liebling)
Habt ihr eine solche Datei bereits? Oder habt ihr vor, jetzt eine anzulegen? Was sind für euch Beispiele für gutes Schreiben?
Liebe Katrin,
das ist (wie immer) ein schöner Beitrag, wichtig dazu. Denn ich meine auch: Übung macht die Meisterin. Ich habe keine Datei, ich sammle haptisch. Das liegt natürlich auch daran, dass ich Werbung texte und keine Belletristik.
Lieben Gruß – Andrea